Zu den archäologischen Grabungen Am Marktplatz


Wo künftig Rathaus und Bürgersaal stehen sollen, müssen schon vor 9000 Jahren Menschen vorbeigekommen sein.

Bei Ausgrabungen an der Marktecke in Burg Stargard hat das Team um Projektleiterin Cathérine Korluß eine etwa 9000 Jahre alte Silex-Klinge aus dem Mesolithikum (Mittelsteinzeit) gefunden, wie sie dem Nordkurier bei einem Besuch auf der Baustelle zeigte.

„Sie ist deutlich von Menschenhand bearbeitet worden und man kann es sich als frühzeitliches Messer vorstellen“, weiß die Mitarbeiterin der ABBU GbR aus Cottbus.


Damit muss die Geschichte wohl neu geschrieben werden.

Derart früh hatten die Historiker in der Stargarder Region bislang noch keine Menschen vermutet, die ältesten Spuren menschlicher Anwesenheit hatten bislang auf das Neolithikum hingedeutet, das etwa vor 8000 Jahren begann und die Zeit beschreibt, in der Menschen erstmals als Hirten und Bauern lebten.

„Nun haben wir einen deutlichen Hinweis, dass in Burg Stargard sogar schon die Jäger und Sammler unterwegs waren“, betont Cathérine Korluß. Länger geblieben sind sie in Burg Stargard nicht. Erst im 6. und 7.  Jahrhundert siedelten sich dann Slawen in der heutigen Dewitzer Chaussee im Bereich der Aldi-Filiale und des Verkehrskreisels in Burg Stargard an.


Eigentlich ging’s um einen Keller aus dem 13. Jahrhundert


Dass dieser wohl älteste Fund in der Stargarder Geschichte überhaupt ans Tageslicht kam, ist eher dem Zufall geschuldet. Im Augenmerk der Archäologen lag vor allem „der älteste Keller der Stadt“, wie Cathérine Korluß sagt. Zweieinhalb Meter tief und etwa vier mal fünf Meter groß stammt er wie die Höhenburg aus dem 13.  Jahrhundert.

„Das Besondere ist die ungewöhnlich große Fläche“, sagt die Expertin. Diese weise darauf hin, dass es sich nicht um einen normalen Wohnkeller handelt, sondern dieser vor allem der Lagerung von Waren diente. Ein Beleg, dass am heutigen Marktplatz schon vor mehr als 700 Jahren der wirtschaftliche Grundstein für Stargard gelegt wurde. Danach sei auf den Keller einfach nur immer draufgebaut und das Haus umgenutzt worden, wie die verschiedenen gut erkennbaren Boden- und Lehmschichten zeigen. Auf dem Gelände, auf dem künftig ein Bürgerhaus entsteht, müssen damals an die vier Gebäude gestanden haben.

Cathérine Korluß und das Team waren etwa fünf Wochen mit der Ausgrabung beschäftigt, hatten zwischendurch zwei Bagger zur Hilfe, doch um die Schippe kamen sie nicht herum. Neben dem Keller und der Klinge förderten sie eine ganze Kiste an Funden zutage. Haushaltskeramik, Tiergebisse und -knochen, sogar ein Messer.

Die Ausgrabungen sind beendet, doch Cathérine Korluß muss sich noch etwas weiter mit der Vergangenheit beschäftigen, damit in der Kleinstadt auch an der Zukunft gearbeitet werden kann. Alle Funde werden nun sorgsam dokumentiert und digitalisiert, das wird an das Landesamt für Denkmalpflege geschickt. Die Behörde wiederum macht einen Bericht für die Stadt und die Architekten fertig, damit die das Leistungsverzeichnis finalisieren kann und dann endlich auch die Bauarbeiter kommen dürfen.

„Es ist sehr zeitaufwendig“, fasst Stargards Bürgermeister Tilo Lorenz zusammen. „Aber wenn eine Stadt so etwas schon macht, wünsche ich mir zumindest auch Unterstützung, damit wir die Stadtgeschichte offen zeigen können“.



Abb. 03 Befund des mittelalterlichen Kellers im Nordteil der Fläche in geschnittenem Zustand und freigelegten Feldsteinfundamenten in mehreren Bauphasen.

Blick Richtung Ost (ABBU).


Quellen: ABBU GbR aus Cottbus und Artikel aus dem Nordkurier vom 06.05.2022/ Autor Tim Prahle



Bericht Burg Stargard

ABBU - Archäologische BauBegleitende Untersuchungen

 

 

Die sich im Jahr 2021 gezeigte spätmittelalterliche Befundlage des 2. Planums konnte in diesem Jahr gewinnbringend innerhalb von 5 Wochen vom 28.3. bis 29.4.2022 archäologisch weiteruntersucht und dokumentiert werden.

Das 2. Planum hatte im vergangenen Jahr diverse spätmittelalterliche Befunde geliefert, vor allem 3 Hausbefunde mit Feldstein-Lehmfundamenten und Lehmstampfböden und Brand- und Ascheschichten, die auf Fachwerkwände deuten lassen (Abb. 01).

 

Umgebungssedimente enthielten spätmittelalterliche Tonscherben der harten grauen Irdenware, vor allem des 14./15. Jh. (Abb. 5, 6) und ließen hier die erste zeitliche Einordnung zu.

 

Im Fokus der diesjährigen Arbeiten stand jedoch ein im nördlichen Untersuchungsbereich angetroffener rechteckiger Befund spätmittelalterlicher Zeitstellung mit Lehm- und Feldsteinwerk mit rostrot verziegelten Lehmlagen, die auf höhere Hitzeeinwirkung schließen ließen und diverse Interpretationsfragen aufwarfen.

 

Die Grabungen in diesem Jahr zeigten nun, dass es sich um einen frühen Erdkeller des 13. Jh. handelt, der nach seiner Aufgabe noch bis zum Ende des 15. Jh. als Haus/Grubenhaus in Benutzung war. Der rechteckig angelegte Erdkeller maß ca. 4 x 5 m und war mit seiner Baugrube in einen älteren Geländehorizont und bis weit in den anstehenden Boden eingetieft worden.

 

In den unteren Abschnitten des Kellers wurden vereinzelt hölzerne Reste und senkrechte Holzschatten festgestellt, die auf eine nicht mehr erhaltene Holzauskleidung hinweisen. Keller- und Hausbefund wurden nicht komplett ergraben. Eine Abschätzung der Tiefe erfolgte durch 3 Bohrungen, die nach weiteren 50 cm ein Ende des Befundes anzeigten und den folgenden sandigen, anstehenden Boden.

 

Nach Aufgabe des Erdkellers wurde dieser offenbar zum Wohnen umfunktioniert und als Grubenhaus genutzt, dessen Nutzen vor allem durch die natürliche Wärmeerhaltung innerhalb der Grube zustande kommt. Ein 80 cm hohes Schichtpaket aus ockerfarbenen Lehmlagen als Laufhorizonte mit wechselnden sandigen Aschebändern lassen auf mind. 4 Nutzungsphasen schließen (Abb. 02 bis 04).

 

Zu einer letzten Nutzungsphase als Haus wurden Feldsteinfundamente eingebracht (Abb. 02 bis 04). Diese durchtrennen die Lehmestrichlagen und lassen deshalb auf eine später erfolge Anlage schließen. Die obere Auffüllung des Befundes bestand überwiegend aus gebrannten Lehmschichten mit viel sand-/strohgemagerten Hausbewurfs, der auf ein letzten Bau mit Holz-/Lehmwänden schließen lässt. Nach einem Brandereignis am Ende des Spätmittelalters erfolgte offenbar keine weitere Aufbauphase.

 

Die Kleinfunde aus Befund 21 umfassen Keramikscherben der harten grauen Irdenware (vor allem 14./15. Jh.), Tierknochenfragmente, kleinere Eisenobjekte wie etwa Nägel, Hufeisen, Messerklingen und 1 kleiner Schlüssel.

 

Als Nebenbefund gelang der Nachweis eines Althorizontes in ca. 1,80 m unter GOK. Die dunkelbraune-ockerbraune Sandschicht war kompakt und homogen und enthielt locker eingestreut Keramikscherben und Tierknochenfragmente der Bronze-/Eisenzeit und Slawenzeit sowie teils bearbeitete Feuersteinartefakte und Abschläge des Spätmesolithikums (Abb. 08).

 

Eine lanzettförmige spätmesolithische Silexklinge ist besonders hervorzuheben. Die Schicht ist durch die mittelalterlichen Befunde unterbrochen. Eine slawische Siedlung und eine römisch kaiserzeitliche Siedlung befinden sich nachweislich unweit östlich der Grabungsstelle auf Höhe Kreisverkehr Dewitzer Chaussee. Ein Zusammenhang wäre hierzu möglich.

 

 

Quelle Text und Bildmaterial: ABBU GbR aus Cottbus

 

Autorenanschrift:

Cathérine Korluß
Archäologische BauBegleitende Untersuchungen
R. Methner & L. Ruhnow GbR
Bahnhofstraße 48
03046 Cottbus
abbuimnetz@aol.com

 

Abb. 02 Befund des mittelalterlichen Kellers im Nordteil der Fläche im Arbeitszustand Anfang April auf Höhe eines Stampflehmbodens, Nutzungsphase als Grubenhaus. Blick Richtung NO (ABBU).

Abb. 04 Befund des mittelalterlichen Kellers im Nordteil der Fläche in geschnittenem Zustand und freigelegten Feldsteinfundamenten in mehreren Bauphasen. Blick Richtung NO (ABBU)


Abb. 05 Keramische Kleinfunde aus Schichtbefund 13: harte graue Irdenware des 14./15. Jh. (ABBU).

Abb.07 Spätmittelalterliche und spätslawische Keramikscherben aus Befund 26 (ABBU).


Abb. 08 Fundauswahl aus Befund 20: Urgeschichtliche Silexklingen und Keramikscherben.


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